Grüner Beton, viele Fahrräder und funktionierendes W-Lan. Auf dem Campus der Unemat (Universedate do Estado de Mato Grosso) in Caseres fühlte ich mich ziemlich wohl!

,Von Caceres hat in Mitteleuropa so gut wie niemand jemals etwas gehört, was kein Wunder ist, denn es handelt sich um eine unbedeutende Provinzstadt nahe der Bolivianischen Grenze. In Brasilien ist das West-Ost-Wohlstandsgefälle anders gepolt als in Deutschland. Im Osten sind die wichtigen und reichen Städte, im Westen dominiert die Agrarindustrie, Drogenhandel oder es passiert gar nichts. Caceres wurde schon 1778 gegründet, aber außer einer großen Kirche gibt es im Stadtzentrum nur ein ungeordnetes Sammelsurium an Häusern, die alt aussehen, weil der Putz bröckelt oder Häuser neueren Datums, die unterschiedlich in Schuss sind.




Bei genauerem Hinsehen bemerkt man dann doch ein paar historische Bauten im Kolonialstil und einige frisch errichtete Villen, die sich hinter Mauern mit Stacheldraht und/oder Elektrozaun verstecken. Eigentlich sind es sogar ziemlich viele Anwesen hinter den Mauern, gleichzeitig viele leere oder ruinöse Grundstücke und ein Leerstand, der mich an die trostlose Nachwendezeit in Cottbus erinnert. Als neugieriger Tourist frage ich mich: Geht es mit Caceres gerade bergauf oder bergab, oder ist diese konfuse Unbestimmtheit ein Dauerzustand? Oder bin ich nur ein bisschen reizüberflutet und verwöhnt von Brasilia und Deutschland? Den Einwohnern scheint es besser zu gefallen als mir. Denn es lässt sich da ganz gut leben. Aber es gibt verdammt wenig öffentlichen Raum, der große Platz vor der Kirche, die kurze Uferpromenade, ein paar andere unauffällige Plätze, vielmehr ist es nicht. Es fehlt auch der öffentliche Nahverkehr. Deshalb ist fast der gesamte, zur Verfügung stehende Raum ungemütliche Verkehrsfläche mit zu schmalen Gehsteigen. Den kleinen Unicampus in der Innenstadt empfand ich spontan als anziehend, denn das war für mich ein öffentlicher Raum.



Da in Caceres nichts Besonderes zu besichtigen war, verfiel ich in eine Art von Alltag, der darin bestand, an den Uni-Exkursionen der Agronomie teilzunehmen und die Arbeit, die ich auch in Deutschland erledige (Fotografieren, filmen), dort zu praktizieren. Allerdings freiwillig, unbezahlt und nur wenn ich nichts Besseres zu tun hatte. Aber ich hatte nie etwas Besseres zu tun und dadurch kam ich sowohl auf eine gigantische Rinderzuchtfarm und in das Reservat des indigenen Stammes der Paresi. Am Wochenende als Freizeitvergnügen ging es bevorzugt irgendwohin, wo frisches Wasser zu finden war, also nicht an den träge vor sich hin dümpelnden großen Rio Paraguay, sondern zu einem Wasserfall oder einem Naturbad. Die Naturbäder sind eigentlich eine einfache, aber geniale Sache: Man nehme einen Bach mit klarem Wasser und baue ein Bassin, durch das der Bach hindurchfließt und schon hat man eine selbstversorgte Badeanstalt. In der Hauptstadt Brasilia war das natürlich besonders liebevoll gestaltet, aber auch in der Provinz gab es schöne Badeanlagen.




Leider musste man jeweils relativ weit fahren, um sie zu erreichen. Ansonsten wurde viel geangelt und Sport getrieben, das geht wohl überall in der Welt. Aber mir war es für Sport zu heiß. Überhaupt empfand ich die Schönheit der Natur durch die Hitze etwas entwertet, da meine Gewohnheiten, wie ich Natur genieße, nur unter Anstrengungen möglich waren. Oder würde ich mich daran gewöhnen, wenn ich länger dort leben müsste? Oder hat mich die Angst vor dem Klimawandel schon so sehr im Griff, dass ich jegliche Hitze und alle besonderen Wetterereignisse als Apokalypse empfinde, die mich in die Depression treiben? Leider kann ich mich nicht frei machen, von der dieser gedanklichen Meta-Ebene. Am besten ist wohl, ich sitze im kühlen Garten von Lieberose und stelle mir vor, die Welt endet am Gartenzaun.

Danke für deine Eindrücke in die „konfuse Unbestimmtheit“ dieses gigantischen Landes!