Unsere kleine Welt-WG 2/1

Folge 2: Hacker greifen an, virtuelle Welten und der Ministerbesuch

Szene 1: Serverraum im Rechenzentrum der Universität
Havin geht zu einem der Bedienpanels, sieht etwas Verdächtiges, geht zum nächsten Panel, dort steigert sich ihre Nervosität.
Zum Telefon: Voicemail-System, die knallt den Hörer hin, zum nächsten Panel, dort tippt sie einiges ein, dann zu einem Not-Aus-Schalter, kurzes Zögern, sie betätigt ihn, dann greift sie zum Smartphone

Szene 2: In Havins Zimmer
Adrian: (mit dem Smartphone am Ohr) Kann ich dir gerade nicht sagen, ich bin nicht online, …. (er überprüft den Schreibtisch) Da ist nur das Netzteil… hmmm…
(er schaut in die Zimmerecke hinter der Tür, dort steht ein 19-Zoll-Rack, abgeschlossen, mit einem Kurdischen Schriftzug und Totenkopf, allerdings abgeschlossen)
Adrian: Und was steht da auf dem Warnschild
Havin: Die Übersetzung ist auf der Rückseite und der Schlüssel ist in meinem Schmuckkästchen
Adrian (bewundert den Schmuck): Ist das Euer Familienschatz?
Havin: Finger weg vom Schmuck, hast du den Schlüssel?
Adrian: ja, ja ich habe ihn!
Er schließt auf, es ist ein Not-Ausschalter zu sehen, der neben den Server-Einschüben angebracht ist.
Adrian: Und du meinst, das muss ich machen? Auf den großen roten Knopf drücken?
Er drückt
Havin: Hier läuft ein vehementer Hacker-Angriff, das ist kein Spaß!
Administrator (taucht im Rechenzentrum unerwartet neben Havin auf): Doch! Das ist Spaß!

Szene 3: In der WG-Küche
Carlos kommt rein und stürmt sogleich zum Herd, weil er die angebrannten Pinienkerne riecht
Carlos: Adrian, Adrian
Adrian kommt, noch mit dem Smartphone in der Hand, sichtlich verwirrt
Adrian: Der russische Hacker-Angriff hat sein Ziel erreicht, meine Pinienkerne sind verkohlt
Carlos: Das geht noch, nicht wegschmeißen
Adrian: Angebrannte Lebensmittel sind kanzerogen!
Carlos: Ich habe eine Krebsintoleranz
Adrian will die Kerne in den Kompost schütten, aber Carlos hält einen Teller unter. Während Adrian die nächste Pfanne mit Pinienkernen vorbereitet, unterhalten sich die beiden.
Arian: Havin ist schuld an dem Schlamassel, die hat mich angerufen und ich musste ihren Server ausschalten,
Carlos: Runterfahren?
Adrian: Ne, einfach den roten Knopf drücken, Notaus, die war total in Panik,
Carlos: Das geht aber so gar nicht, sie hat mir mal was erklärt, auf keinen Fall einfach den Stecker rausziehen.
Adrian: Ich habe nur gemacht, was sie mir gesagt hat und ich weiß jetzt auch, wo ihr Schlüssel für den Server-Schrank liegt
Carlos: Sie wird ein neues Versteck anlegen und ich freue mich schon auf ihren Anschiss
Adrian: Wieso?
Carlos: Bestimmt war wieder jemand von uns schuld an der Sicherheitslücke
Adrian: Ich nicht, aber Tickla, bei ihr liegt die Liste mit allen Passwörtern auf dem Bügelbrett, kommt der Pizzabote kann er sich per online-banking selbst bezahlen
Carlos: Für ihren Glauben an eine gute Welt lieben wir alle Tickla
Adrian: Nicht alle! Du liebst sie
Carlos: Ich doch nicht, als Hispanic liebe ich Blondinen oder ….
Adrian: Mexikanerinnen?
Carlos: Ich bin kein Mixikaner, sondern Guatemalteke, wenn es hier jemand auf Tickla abgesehen hat, dann bist du das!
Adrian: Ich?
Carlos: Ja du!
Adrian: Am ersten Abend, als sie sich vorgestellt hat, und wir dachten, sie sei längst weg, da saß sie in meinem Zimmer auf dem Sofa. Ich habe sie erst gar nicht gesehen. Ich lag schon ohne Hose im Bett und dann habe ich sie erst bemerkt.
Carlos: Aber sie war noch angezogen
Adrian: Jajaja, wenn sie nackt in meinem Bett gelegen wäre, dann wäre das leichter zu interpretieren gewesen. Ich weiß auch immer noch nicht, was sie wollte, entweder war sie deprimiert, oder wollte sie mal testen, wie ich reagiere
Carlos: Aber sie steht doch auf Ravi, hast du das nicht bemerkt?
Adrian (erschrocken): Nein! Doppel-Nein! Einmal Nein, weil ich es nicht bemerkt habe und das andere Nein, weil ich glaube, dass es gar nicht so ist.
Carlos: Du hast schon mit Havin über die Social-Media-Analyse diskutiert, da haben die beiden sich bemerkenswerte Blicke zugeworfen, so tiefe Blicke
Adrian: Wenn sich Tickla hier in der WG einen Sexualpartner suchen will, dann sollte sie mich auswählen, erstens, weil sie sich intuitiv in mein Zimmer hinein verlaufen hat und damit eine Erwartungshaltung initiiert hat und weil ich das ranghöchste Männchen bin.
Carlos: Ich dachte wir sind eine gleichberechtigte Gemeinschaft
Adrian: Im basisdemokratischen Sinne schon, aber nicht im Partnerwahlverhalten. Ich bin am längsten hier, habe das größte Zimmer, bin der Hauptmieter und Europäer, und das ist ein Vorteil, denn wir leben hier in einer euro-zentristischen Umwelt
Carlos: Du steckst noch voll im kolonialistischen Weltbild
Adrian: Ideologisch habe ich das schon lange überwunden, aber nicht evolutionsbiologisch.

Szene 4: Wohngemeinschaft, Gemeinschaftsraum, Küche
Tickla: (tritt in die Tür) Schaut mal, wer hier ist!
Ravi kommt hinter ihr ins Zimmer, mit Rollkoffer, Laptop und Anzugtasche, schwer bepackt
Ravi: Hallo Freunde!
Carlos: Hallo Ravi, schon da?
Adrian: Wolltest Du nicht erst nächste Woche kommen?
Ravi: Nächste Woche kommt der Möbelwagen, aber ich bin schon vorausgefahren, wegen dem Minister!
Tickla: (Schiebt sich vor) Der Wirtschaftsminister will ihm die Hand küssen
Ravi: Das will er bestimmt nicht!
Adrian: Der Bundesminister? Oder vom Land Brandenburg?
Ravi: Der Deutschland-Wirtschaftsminister, shit no matter, wem er die Hand gibt, der bringt die 32 Millionen Fördermittel für mein Projekt, Professor Institutsleiter ist nicht da und ich soll das alles organisieren, da wird so ein riesen Aufwand gemacht, ich dachte ich soll forschen, jetzt muss ich mich ums Buffet kümmern, und alles very important!
Adrian: Bei uns war letztes Jahr nur der Staatssekretär
Tickla: (tänzelt zur Tür hinaus, in ihr Zimmer) Ich geh dann mit zum Minister!
Adrian: Manchmal kündigt sich der Minister an, und in letzter Sekunde sagt er ab, kommt nur der Stellvertreter, oder es ist nur ein Videogrußwort
Ravi: (Zu Carlos) Wie hieß diese Sekretärin, die uns die falsche Straßenbahnlinie gesagt hat und dann standen wir da in der Plattenbauwüste
Carlos: Das war…. (denkt) Gerlinde…
Ravi: (schaut in eine Mail im Smartphone rein) Gerlinde Girlande?
Carlos: Ja genau, die war das
Ravi: Die soll mir beim Organisieren helfen! Da ist das Scheitern vorprogrammiert, die muss ausgeschaltet werden, die darf bestenfalls Brötchen schmieren. (er nascht ein paar schwarze Pinienkerne) Die sind ja total angebrannt, isst du das noch?
Carlos: Na klar
Ravi: (klappt den Laptop auf) Ich muss erstmal was aus der Cloud runterladen, wo ist das Wlan-Passwort?

Szene 5: Im Serverraum
Havin: Ich habe mich fast zu Tode erschrocken, wenn im laufenden Betrieb der Server attackiert wird.
IT-Techniker: Das waren die Cyber-Security Leute, vom Ethical Hacking-Workshop, die haben nur getestet, wie sicher unsere Firewall ist
Havin: Offensichtlich nicht sicher genug, und das könnt ihr ja auch nicht machen, wenn ich gerade die Rechenkapazität für die Metasimulation konfiguriere,
IT-Techniker: Wir haben dich vergessen
Havin: Ihr habt mich für die Putzfrau gehalten. Ihr nehmt mich nicht wichtig, das kann ich überhaupt nicht leiden
IT-Techniker 2: Hier ist aber unser Reich, da kannst du nicht einfach „Notaus“ drücken
Havin: Ihr seid die Dienstleister und wir haben die Rechenleistung eingekauft, inclusive OP-Rechte, da darf ich sehr wohl notwendige Maßnahmen ergreifen, wenn es mir angemessen erscheint.

Szene 6: WG im Gemeinschaftszimmer, Flur, Ticklas Zimmer
Tickla sitzt mit Laptop auf dem Sofa und tippt Texte, intensiv und eruptiv. Sie schaut auf, denn Adrian kommt mit 360°-Kamera und VR-Brille aus dem Flur ins Zimmer.
Adrian: Hallo Tickla, ich kann dich sehen… das ist toll
Tickla: Mich sehen zu können, ist nichts Besonderes, wenn man sich im gleichen Zimmer aufhält
Adrian: Ich sehe dich hier in der Brille
Tickla: (hebt den Laptop hoch) Und jetzt?
Adrian schiebt die Kamera zwischen Laptop und Gesicht: Jetzt schon, und ich sehe auch, dass du über Biogas schreibst….
Tickla: Weg da, mit deiner Spionagekamera
Adrian: Darf ich in dein Zimmer gehen, das ist am kleinsten, je enger es ist, desto beeindruckender ist das Gefühl
Tickla: Welches Gefühl?
Adrain: Die Virtualität
Tickla: Das Klo ist aber noch kleiner als mein Zimmer
Adrian: (geht weiter Richtung Ticklas Zimmer) Das Klo ist mir zu intim, das kann ich nicht als Testumgebung nehmen
Tickla (schaut ihm hinterher): Mein Zimmer ist nicht intim? Wo bleibt meine Privatsphäre?
Adrian: (Fordernd) Darf ich rein? Ist nur ein Test
Tickla: Du bist doch schon auf der Schwelle?
Adrian: (Anderer Tonfall, er spricht sachlich, für die Audioaufnahme) Wir befinden uns hier in einem kleinen Zimmer mit circa 6 qm Wohnfläche. Steht man in der Mitte des Raumes, kann man mit den Fingerspitzen keine der Wände berühren.
Tickla (ist hinterhergekommen): Und was wird das?
Adrian: Kannst du mich jetzt einmal umkreisen?
Tickla: tanzend, oder hüpfen, oder umarmen?
Adrian: Normal, einfach herumgehen….
Tickla: Wenn ich dich berühre ist das kein Annäherungsversuch, sondern nur Platzmangel
Adrian: ja, ja,
Tickla: (Erklärstimme für das Mikrofon. Sie gestikuliert, zeigt mit den Händen die Dinge, von denen sie spricht und umkreist dabei Adrian) Das ist mein Zimmer, mit dem kleinen Tischchen, der Kommode und dem Schrank, der vom Sperrmüll stammt und natürlich mit einem Bett! (sie lässt sich aufs Bett fallen, liegt dort sehr dekorativ)
Adrian: Wieso hast du dich denn jetzt hingelegt, du solltest mich umkreisen
Tickla: Gefährliche afrikanische Frau lockt weißen Mann in einen Hinterhalt! (sie streckt ihre Hände aus, subjektive Aufnahme mit der Weitwinkeloptik der 360°-Kamera)
Adrian nimmt die Brille ab: Puh, mir wird schon ganz schwindelig
Tickla: Jetzt also endlich (sie geht auch gleich in eine unverfängliche Sitzposition)
Adrian: Kannst du mich nicht einfach umkreisen, ohne zu reden und ohne ins Bett hineinfallen.
Tickla schaut ihn fragend an.
Adrian: Zur Tür reinkommen, mich umkreisen, ich weiche dabei ein bisschen aus, damit der Platz langt, und dann gehst du wieder zur Tür hinaus.
Tickla: Und wozu das alles?
Adrian: Testaufnahmen für unser Virtuell Lab, du hast gesagt, du brauchst Geld!
Tickla: ja, am besten gleich, am besten viel!
Adrian: Und ich habe gesagt, wir brauchen Probanden für das Virtuell Lab
Tickla: Du hast aber auch gesagt, dass die nächste Probandenreihe erst in zwei Wochen beginnt.
Adrian: Eigentlich schon, aber du kannst auch schon heute Nachmittag antreten. Das lässt sich begründen, wenn du auch noch für Testaufnahmen mit dieser Kamera zur Verfügung stehst, dann können wir Material für die Testreihe aufnehmen.
Tickla: Heute Nachmittag? Jetzt gleich, muss ich dazu gut aussehen?
Adrian: Je eher wir es machen, umso eher gibt’s Geld, das Virtuell Lab ist auf dem Südcampus und schwer zu finden.
Tickla: Bist du auch dort?
Adrian: Ja, heute schon.
Tickla: Du kannst es mir zeigen, fahren wir Straßenbahn? Mit dem Rad ist mir das zu weit
Adrian: Ich fahr nicht Straßenbahn, aber wenn wir gleichzeitig hier starten, dann treffen wir uns dort an der Mensa, und ich zeig dir das geheimnisvolle Virtuell Lab vom Fachgebiet Umweltsoziologie.

Szene 7: Straßenbahn, verschiedene Straßen, an der Mensa Sachsendorf
Adrian und Tickla gemeinsam an der Straßenbahnhaltestelle. Tickla hat eine Tasche mit der 360°-Kamera (Metallköfferchen, kleines Pelicase o.ä.) und Adrian schiebt sein Rad. Wenn Tickla einsteigt, fährt Adrian los. Parallelmontage zwischen Tickla in der Straßenbahn, die gar nicht nach draußen schaut und Adrian, der sich bemüht, genauso schnell wie die Straßenbahn voranzukommen. Schließlich trennen sich die Routen von Adrian und der Straßenbahn, er kommt am Südcampus an und startet dort die Stoppuhr, um zu messen, welchen Zeitvorsprung er gegenüber Tickla hat.

Als die Stoppuhr 10 Minuten anzeigt, ruft er sie an
Adrian: Wo bleibst du?… Nein, ganz normal, natürlich bin ich schneller als die Straßenbahn…. Bist du denn schon im Anflug? … Ach, du bist noch am shoppen…. Wir waren zum arbeiten verabredet…

Szene 8: Im Trödelladen an der Straßenbahnhaltestelle in Sachsendorf

Die Möbel stapeln sich dort übermannshoch und es sind nur kleine, enge Schneisen, in denen Tickla durch das chaotische Durcheinander hin- und hergeht. In der einen Hand das Smartphone, in der anderen die 360°-Kamera. Sie telefoniert mit Adrian, der am Südcampus auf sie wartet.
Tickla: Hier ist ein Laden, da gibt es ganz viele Sachen, das ist faszinierend.
Adrian: Aber hier ist eine Verabredung und ich will nicht noch mal 20 Minuten warten,
Tickla: Fang doch einfach an, ich finde dein virtuelles Lab schon, mach nicht immer so einen Pünktlichkeitsstress
Adrian geht nach oben in das virtuelle Labor

Szene 9: Virtuell Lab
Virtuell Labs stellen vorgegebene Szenarien durch real wirkende Projektion dar. Im umweltsoziologischen Lab wird dies durch drei U-förmig angeordnete Projektionsflächen erreicht, die ein Krankenhauszimmer simulieren. In der Mitte des Zimmers steht ein Krankenhausbett mit einem sprachfähigen Patientendummy, der zum Training von Pflegekräften dient. Neben dem Projektionsbereich befinden sich Computerarbeitsplätze, an denen ein Operator das System betreut.
Adrian: Hallo
Operator: Hallo, das System läuft jetzt stabiler, ich habe die Grafikkarte ausgetauscht, jetzt kann man ganz schnell von einem Projekt zum anderen springen, muss nicht erst lange geladen werden
Adrian: Das machen wir nur selten, zwischen den Projekten wechseln
Operator: Wenn die Probanden unpünktlich sind, ist das schon praktisch
Adrian: Ja, die Probandin ist tatsächlich unpünktlich, aber es wäre gut, wenn ich mir selbst den Anfang nochmal anschaue
Er setzt die Virtuell Reality-Brille auf

Szene 10: In Havins Zimmer
Havin zeigt Ravi den Serverschrank und erklärt ihm, die digitalen Gegebenheiten
Havin: Dieser Schalter fährt nicht den Server runter, sondern unterbricht alle Netzwerkverbindungen und zwar physikalisch. Das ist nur ein Schutz gegen böse Eindringlinge. Ich bin da sehr vorsichtig, auf meinem Server liegt das digitale Archiv der PKK mit Mitgliederlisten
Ravi: Meinst du das ernst, oder ist es ein Witz. Wenn das bekannt wird, fliegt Deutschland aus der Nato!
Havin: Ich weiß, was ich tue. Es gibt ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept aber es ist schwierig alle Spuren zu verwischen, man ist nie sicher, das bleibt ein Katz und Mausspiel, manchmal ist die Maus schneller, manchmal die Katze
Ravi: Und wo finde ich den Schlüssel? …. Wenn ich ihn brauche
havin: Schau was hier steht!
Ravi: Das kann ich nicht lesen…
Havin: Die Übersetzung ist auf der Innenseite
Sie öffnet die Tür und zeigt auf einen bereits verblichenen Zettel, der dort angebracht ist. Mit Schreibfehlern steht dort in dicker Blockschrift: Berühren, bedinen, mitnemen und formatieren verboten! Nur für Havin erlaubt!
Ravi: This makes no sense, the translation inside of the forbidden territory.
Havin: Yes, and nobody knows the Hideout of the key (steckt sie sich den Schlüssel in die Hemdtasche) Du musst hier nicht ran, nie! Glasfaseranschluss hast du im Zimmer, Wlan mit 500Mbit/s, du sicherst deine Daten in der Cloud von der Uni, da kümmern sich dann meine Nerd-Kollegen um die Sicherheit, und lassen die Studenten Spaß-Hacker-Angriffe ausprobieren.

Szene 11: Adrian im Virtual Lab, Fortsetzung der Krankenhaus-Simulationen
Adrian trägt eine 360°-Grad-Brille und in den Händen Controller. Auf den Projektionsflächen rings um ihn sieht man das Krankenzimmer Die unsympathische und gereizte Stimme des Dummies hört man über Lautsprecher. Es gibt auch noch eine Computerstimme, die Anweisungen an Adrian gibt. Diese Computerstimme ist sehr emotionslos und blechern.

Computerstimme: Die Patientin antwortet nicht auf ihre Frage
Adrian: Wie war die Frage?
Computerstimme: Diese Frage ist nicht zulässig
Adrian: Aber ich weiß nicht mehr, wie die Frage war, war die Frage wichtig?
Computerstimme: Diese Frage ist nicht zulässig
Adrian geht zur Seite, will ins nächste Zimmer
Computerstimme: Sie können die Betreuung der Patientin nicht beenden, bevor die Befragung abgeschlossen ist
Adrian: Sie antwortet aber nicht
Computer Stimme: Sie müssen die Befragung durchführen
Adrian: Von vorne?
Computer-Stimme: Die Standard-Position zur Befragung und Untersuchung von Patient*innen ist auf der linken Seite

Man sieht, dass Tickla den Raum betritt und zum Operator schleicht, ihm die 360°- Kamera gibt und er sie anschließt, während im Hintergrund Adrian mit den Tücken der digitalen Welt kämpft.
Adrian: Guten Tag Frau Musterfrau, wie geht es ihnen?
Computer-Stimme: Bevor sie fragen, müssen sie zunächst das Zimmer betreten
Adrian: Ich bin schon drin, wie komme ich hier bloß raus?
Computer-Stimme: Durch die Tür des Patientenzimmers Nr. 7001
Adrian läuft ein paar Schritte, klopft an eine imaginäre Tür, man hört das Klopfen deutlich
Adrian: Guten Morgen Frau, Musterfrau, wie haben sie geschlafen
Patientenstimme: Ich möchte mit dem Chefarzt sprechen
Adrian: Was ist ihr Anliegen, sagen wie mir bitte, was sie für Beschwerden haben?
Patientenstimme: Ihnen sag ich das nicht, sie haben keine Ahnung
Adrian: Sagen sie mir gefälligst sofort, was sie wünschen, ich will mich nicht mit ihnen rumärgern
Computer-Stimme: Sie müssen in sachlichem Ton mit den Patient*innen reden!
Adrian: Ich will gar nicht mit der zickigen Alten reden, ich will hier raus
Computer-Stimme: Diese Option ist nicht vorgesehen, fahren sie fort!
Patientenstimme: Wann kommt der Chefarzt zu mir?
Adrian: Ich bin der Chefarzt, sagen sie mir ihr Anliegen!
Computer-Stimme: Diese Aussage ist nicht erlaubt
Adrian: Ich bin der Pfleger, was ist ihr Anliegen?
Computer-Stimme: Die Patientin antwortet nicht auf ihre Frage
Adrian: Dann gehe ich jetzt
Computer-Stimme: Sie können die Betreuung der Patientin nicht beenden, bevor die Befragung abgeschlossen ist
Adrian: Ich will hier raus, raus!
Plötzlich wechselt das Bild der Simulation, Adrian ist im Trödelladen. Um ihn türmen sich die Möbel und Tickla ist am Telefonieren, man hört Adrians Stimme im Handy und Tickla real

Adrians Stimme (durchs Telefon): Wo bleibst du?
Tickla: Bist du schon am Ziel? Ich noch nicht
Adrians Stimme (durchs Telefon): Natürlich bin ich schneller als die olle Straßenbahn
Tickla: Das hätte ich nie gedacht, dass du so schnell sein kannst
Adrians Stimme (durchs Telefon): Bist du denn schon im Anflug
Tickla: Ich habe da einen tollen Second-Hand Shop gesehen, da bin ich rein. Nur mal kurz schauen, es ist ganz spannend hier
Adrians Stimme (durchs Telefon): Du bist noch am Shoppen?
Tickla: Nein, nur gucken
Adrians Stimme (durchs Telefon): Wir waren zum arbeiten verabredet…
Tickla: Dieser Laden hier, da gibt es ganz viele Sachen, das ist faszinierend.
Adrians Stimme (durchs Telefon): Aber hier ist eine Verabredung und ich will nicht noch mal 20 Minuten warten,
Tickla: Fang doch einfach an, ich finde dein virtuelles Lab schon, mach nicht immer so einen Pünktlichkeits-Stress

Adrian: (reißt sich die Brille vom Kopf) Wollt ihr mich verarschen, was ist das für eine Scheiße, das hält ja niemand aus
Tickla: Die Aufnahmen in dem Laden sind super, findest du nicht?
Adrian: Das hat hier überhaupt nichts zu suchen, und die Simulation, da wird man wahnsinnig
Operator: Das ist auch nur die Vorversion für die Probanden, um heraus zu finden, wo es hakt
Adrian: Da hakt alles, das ist Bullshit..
Operator: So würde ich das nicht sagen, man muss ernsthaft bleiben und darf nicht bockig werden
Adrian: … und wo ist die Frau Södermann? Die wollte doch hier sein, da könnte die mal sehen, was ihre KI für einen Blödsinn verzapft, das ist überhaupt nicht ausgereift und viel zu früh für Probanden
Stimme Södermann: Sie haben gemeint, dass sie unbedingt eine Probandin durchschicken wollen. Ich habe gesagt, es lohnt sich noch nicht!
Adrian: Frau Södermann? Wo sind sie denn?
Stimme Södermann: Ich bin über Videokonferenz zugeschaltet… Haben sie meine Mail nicht gelesen?

Szene 12: Im Gemeinschaftsbereich der WG
Ravi im Anzug, mit Schlips, Beam, Projektion. Er will seinen Vortrag vorbereiten, Havin, Carlos und Adrian sind die Test-Zuhörer.
Ravi: Wir stellen uns jetzt vor, ihr seid der Wirtschaftsminister, ihr habt keine Ahnung und dann sagt ihr mir, ob ihr das versteht, was ich erkläre.
Havin: „Keine Ahnung“ hat der Wirtschaftsminister bestimmt nicht
Adrian: Wir müssten erst mal wissen, was er weiß
Ravi: Er ist kein Jurist
Adrian: Aber auch kein Naturwissenschaftler und kein Ingenieur-Klugscheißer
Carlos: Was hast du immer gegen Ingenieure, Ingenieure haben die höchste Wertschöpfung in industriellen Arbeitsplätzen.
Ravi: Weil sie da ja auch nur FE-Probleme lösen und keine Grundlagenforschung machen, oder nur danebenstehen, wenn die funktionierende Anlage funktioniert.
Havin: Ich würde sagen, die Database über den Wissensstand des Ministers ist nicht ausreichend. Du musst einfach anfangen
Adrian: Ich glaube, du bist overdressed, der Minister trägt doch nie einen Schlips
Ravi: Ich schon…
Adrian: Aber es geht doch nur um das Verständnis
Ravi: Nein, es geht um mein Feeling, mein gesamtheitliches Gefühl, ich brauche das so bei der Probe, ich habe mir den Anzug extra gekauft,
Adrian: Aber das erwartet man nicht von dir,
Ravi: Nicht direkt, aber ich bin bereit mich als anpassungsfähiger Mitarbeiter zu positionieren
Adrian: Aber vielleicht wirst du dann als weniger kompetent eingeschätzt
Ravi: Das Vorurteil, das alle wissenschaftlichen Genies Nerd-T-shirts und zerrissene Jeans tragen ist nach meiner Einschätzung nicht mehr aktuell und auch damals, als es weit verbreitet war, stimmte es nicht
Adrian: Mir geht’s ja nicht um das Vorurteil, sondern um unseren Wirtschaftsminister
Havin: Ich finde Ravi sieht gut aus!
Ravi: Gut ist gar nicht das Kriterium. Sehe ich Vertrauenswürdig aus?
Carlos: Aber du siehst doch gut aus
Adrian: Ich weiß nicht, ob ich bei dir eine Versicherung abschließen würde
Ravi: Was für eine Versicherung?
Adrian: Wenn du ein Versicherungsvertreter wärst…
Ravi: Das bin ich doch gar nicht…Es geht darum, dass wir in einem Jahr nochmal 25 Millionen Fördergelder bekommen, für Forschung
Adrian: Das ist ja wohl hoffentlich nicht davon abhängig, ob du einen Anzug anhast.
Carlos: 25 Millionen kriegt ihr?
Ravi: Haben wir schon! Genaugenommen 32 Millionen, aber das erste, was der Institutsleiter gemacht hat, war einen Antrag zu stellen, dass das Budget verdoppelt wird, und dann haben wir kalkuliert, was dringend nötig ist, und das sind die 25 Millionen, die jetzt im Raum stehen
Harvin: Also 57 Millionen, so viel? Um was geht es denn überhaupt?
Ravi: Das würde ich ja gerne erzählen, aber ich komme ja nicht mal dazu anzufangen.

Video mit Ravi als Blogger:
Eine Wärmepumpe ist eine Kraftwärmemaschine, die unter Aufwendung technischer Arbeit thermische Energie aus einem Reservoir mit niedrigerer Temperatur aufnimmt und – zusammen mit der Antriebsenergie – als Nutzwärme mit höherer Temperatur auf ein zu beheizendes System überträgt. Wie beim Kühlschrank, nur umgekehrt. In der Industrie gibt es viele Prozesse, da braucht man richtig viel Prozesswärme, um bestimmte chemische Reaktionen zum Laufen zu bringen. Bisher wurde da meistens Gas verfeuert, damit muss Schluss sein. Aber die Wärmepumpen, die wir kennen, kommen in die geforderten Temperaturbereiche überhaupt nicht rein. Was tun? Am besten schauen wir erst mal ins Phasendiagramm, logarithmisch der Druck hier, und nach rechts die Temperatur. Wir brauchen für die Hochtemperaturwärmepumpe einfach das richtige Kältemittel, also eine Chemikalie die möglichst billig ist, harmlos ist, und im richtigen Temperaturbereich den Phasenübergang von flüssig zu gasförmig durchläuft. Wir haben zwei Ansätze mit zwei verschiedenen Kältemitteln, nämlich mit Wasser und mit Luft. Ja, staunt man, etwas einfacheres kann man sich kaum vorstellen. Allerdings müssen wir wesentlich mehr Druck aufbauen, als beim Kühlschrank oder bei der normalen Wärmepumpe.

Die Hochtemperaturwärmepumpe in einer Laborhalle, die sich zur Zeit auf dem TKC-Gelände befindet und von der DLR betrieben wird. Auf der Website der DLR steht: Der Name CoBra ist eine Kombination aus „Cottbus“ und dem „Brayton-Prozess“ der Thermodynamik, auf dem die Anlage beruht. Ein Großteil der Industrien braucht Prozesswärme zwischen 100 und 500 Grad Celsius. Das gilt zum Beispiel für die Ernährungsindustrie, die Papierindustrie und die chemische Industrie. Verwendet man regenerativ erzeugten Strom, sind Hochtemperatur-Wärmepumpen klimaneutral. Gleichzeitig können Industriebetriebe mit Hochtemperatur-Wärmepumpen Energie sparen.

Szene 13: Tickla mit Angela im IRO
Angela: Frau Okpar, sie sollten nicht so viele Jobs nebenbei machen, das wird ihnen der Stipendiengeber und die Ausländerbehörde nicht genehmigen
Tickla: Das ist doch nur eine ganz kleine Arbeit, soll nur einen Tag dauern
Angela: Aber wieso sind das dann dreißig Stunden?
Tickla: Ich muss das vorbereiten, und auch noch aufräumen und ich weiß auch nicht so genau, was ich alles machen soll, Projektkoordinationsleiter sagte: Ein Tag langt
Angela: Wenn das über diesen Vertrag laufen soll, dann müssen wir über die Behörde gehen, sie sind ja zum Studieren hier, nicht zum Arbeiten, da gibt es leider viele Bestimmungen, die nicht zu ihrem Vorteil sind.
Tickla: Ja ich weiß schon, Vorteil immer für die deutsche Universität, …. und ohne Vertrag?
Angela: Wie?
Tickla: So schwarz, wie ich
Angela: Wie meinen sie das
Tickla: cash auf die Hand, für schwarze Arbeit
Angela: Das kann ich nicht unterstützen und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das beim Projektträger vom Wärmepumpenforschungsvorhaben gehandhabt wird, ohne Vertrag. Sie sollten einfach weniger arbeiten und mehr forschen!
Tickla: Es gibt eine kleine Lucke,….
Fragender Blick der Bearbeiterin
Tickla: small Gap, between die amount of Money i have and the Money I need
Angela: What a pity

Szene 14: Wohnbereich der WG
Adrian: Leute, die kein Geld haben, sorgen ganz schnell für Probleme, oder sogar soziale Verwerfungen, halten einen von den wichtigen Dingen ab und machen Rücksichtnahmen nötig, die man nicht bräuchte, wenn sie Geld hätten. Das heißt nicht, dass ich erwarte, dass alle reich sind, das geht ja nicht, weil Reichtum immer nur ein relativer Zustand ist, mir geht’s um das „nicht arm sein“, diese „Nicht-arm-sein“ bedeutet, dass man genug hat, um die Grundbedürfnisse zu versorgen und ansonsten den Lebensstil an die vorhandenen Mittel anpasst. Das geht bei manchen Menschen ganz einfach, bei anderen fehlt die Einsicht. In Deutschland geben Haushalte, die als arm gelten, im Laufe ihres Lebens ca. 200000 € für den individuellen Besitz eines Autos aus und unser Autofahrerstaat schmeißt nochmal ca. 400 000.- an Subventionen oben drauf, die er stattdessen auch zur Verbesserung des ÖPNVs nutzen könnte.
Das klingt womöglich arrogant, aber es kommt ja darauf an, welchen Schlussfolgerung daraus gezogen wird. Ich bin für das bedingungslose Grundeinkommen, damit diese Menschen sich emanzipieren können.
Ravi (ungläubig); Aha
Adrian: Das muss ich dir noch erzählen: Tickla hat mich bequatscht, dass ich ihr als Probandin einen Job verschaffen soll, weil sie diese Woche nicht genug Geld hat und dann geht alles schief, was schiefgehen kann. Erst kommt sie zu spät…
Tickla (kommt gerade rein): Nein, ich war nicht zu spät, du warst zu schnell, you were to eager
Adrian: Wenn wir doch hier gemeinsam starten und sagen, wir treffen uns vor der Süd-Mensa, dann empfinde ich es als sehr unhöflich, wenn die Person mit der langsameren Fortbewegung zwischendurch herumtrödelt oder sogar shoppen geht.
Tickla: Aber es gab keine festgesetzte Zeit, zu der ich dort sein sollte.
Adrian: Das heißt bei mir: So schnell wie möglich
Tickla: Oder so schnell wie nötig, ich kann doch nicht wissen, dass du ein Fahrrad mit Raketenantrieb hast
Adrian: Es ist nur ein gewöhnlicher Elektroantrieb, 4-Gang Radnabenschaltung
Tickla: Du warst zu ungeduldig, hättest du einfach auf mich gewartet… aber nein, … Frau Södermann hast du auch nicht begrüßt, sondern nur beleidigt, weil du gar nicht bemerkt hast, dass sie da war.
Adrian: Die war ja auch gar nicht da, die war nur über Videokonferenz zugeschaltet, das ist wie ein Lauschangriff
Ravi: Tickla, klappt das mit dem Vertrag für den Job? Sonst ich brauche noch jemand anderes, die am Empfang steht, wenn der Minister kommt, und da sollte jemand attraktives stehen, also am besten du…
Tickla: Kann ich auch in bar bezahlt werden, so ohne Vertrag
Ravi: Auf keinen Fall, ich muss gute Projektführung nachweisen,
Adrian: Du musst aufpassen, dass sie nicht alles durcheinanderbringt
Ravi: Ich passe gar nicht auf, ich gebe klare Anweisungen und alles läuft, Carlos ist auch dabei, gibt nur Studententarif, aber ihr könnt 30 Stunden abrechnen und ich glaube nicht, dass es länger als zehn dauern wird.
Adrian: Das halte ich für sehr optimistisch, wer weiß, was da wieder für Komplikationen eintreten. Manchmal kommen die Tische viel zu früh, muss schon da sein, wenn der Fahrdienst sie liefert, manchmal kommen sie zu spät, oder die falschen, da ist alles möglich
Ravi: Es wird ja wohl klappen, ein paar Aufsteller zu platzieren und die Tische in Empfang zu nehmen, du stehst im Foyer und alle Gäste bekommen von dir ein Namensschild, da musst du sie fragen wie sie heißen, in der Liste nachschauen, ob sie angemeldet sind und das Namensschild aushändigen. Wenn ein Schild fehlt, dann schreibst du eins. Ich sehe überhaupt keine Chance etwas falsch zu machen.

Szene 15: Im Foyer vor dem Audimax
Während Ravis Stimme noch zu hören ist, sieht man Tickla ungeschickt mit den Aufstellern kämpfen. Es sind verschiedene Werbetafeln und Fahnen, die positioniert werden müssen, natürlich auch die Tische und ein Buffet, das geliefert wird. Die Pressesprecherin kommt ab und zu vorbei und gibt gestisch zu verstehen, dass noch irgendetwas verbessert werden muss. Immer wieder kippt ein Aufsteller um oder klappt zusammen. Aber schließlich steht alles und dann steht Tickla am Empfang und händigt den Gästen ihre Namensschilder aus. Neben ihr Gerlinde Girlande, die die Namen in einer Liste abstreicht.

Tickla (kontinuierlich freundlich und lächelnd): Bitte Herr Professor, bitte Herr Institutsleiter, bitte Herr Dekanatsreferent, hier bitte, lieber Adrian, bitte liebe Havin und Herr Schneidinger, bitte Herr Geschäftsführer, Bitte… bitte Herr Minister
Der vermeintliche Minister: Ich bin nicht der Minister, ich bin sein Referent und nehme sein Namensschild entgegen
Tickla: Dann richten sie ihm einen Gruß von mir aus
(Die Abfolge der Personen wird immer schneller bis fast alle Namensschilder ausgegeben sind. Schließlich sieht man das letzte Ende der Menschentraube durch die Tür ins Audimax hineingehen, Tickla wischt sich symbolisch den Schweiß von der Stirn und Carlos bringt ihr einen Kaffee)

Szene 16: Im Foyer vor dem Audimax
Die Gäste sind inzwischen im Audimax. Am Empfang im Foyer befinden sich Gerlinde Girlande, Tickla und Carlos. Sie haben jetzt Kaffeetassen vor sich stehen. Am Rand des Tisches steht ein Laptop, auf dem das Internetstreaming der Veranstaltung zu sehen ist. Es kommen nur noch Nachzügler, nämlich Prof. Eichhorn, und der Fotograf Frank Schubert.

Tickla: So das wars! Oder muss ich die Namensschilder auch wieder einsammeln, und sortieren?
Carlos: Du kannst mir dann noch beim Kaffee helfen, wenn sie wieder raus kommen, und beim Geschirr.
Tickla: Jetzt sind sie erstmal drinnen,
Carlos: Und?
Tickla: (sie schaut auf den Laptop mit der Videoübertragung) Die Präsidentin spricht, Ravi ist erst danach dran

Es kommt ein Nachzügler, Prof. Eichhorn (genannt Eichhörnchen), bei dem Carlos und auch Tickla verschiedene Kurse belegt hatten. Er hat offensichtlich keine Eile, in die
Veranstaltung hineinzukommen, sondern möchte lieber mit Tickla flirten.
Tickla: Guten Tag Herr Eichhorn
Eichhorn: Ist der Minister schon drin?
Tickla: Ja, aber noch spricht die Präsidentin
Eichhorn: Da habe ich ja Zeit. Muss ich mich nicht beeilen. Sagen sie mal, war es in ihrer Master-Thesis explizit erwähnt, dass es sich um Technologien für rural regions handelt?
Tickla: Kleine, ortsungebundene Biogasanlagen, flexibel und skalierbar, funktionieren auch unterirdisch.
Eichhorn: Da gibt es jetzt ein Förderprogramm, speziell für ForscherINNEN, für Reisekostenzuschüsse, wenn sie vor-Ort-Recherchen machen wollen.
Tickla: Danke, aber ich weiß, wie es dort aussieht, kann ich den Reisekostenzuschuss auch nehmen, um meine kranke Tante herzuholen?
Eichhorn: Das wird wohl kaum machbar sein, ohne den Förderrichtlinien zu widersprechen, aber wenn sie eine literarische Ader haben und gute Antragsprosa schreiben … vielleicht klappt es… Ist ihre Tante auch so charmant, wie sie?
Tickla: (Sie will sich nicht von Komplimenten ablenken lassen, bleibt sachlich) Ich brauche dringend ein Phd-Stipendium, da hatte wir schon drüber gesprochen, dass ich weiterforschen will und muss,
Eichhorn: Ich sag es ihnen, wie es ist: Da liegen Fördergelder ungenutzt herum, Reisekosten für Frauen, Forschungsmittel für Strukturwandel, Sondermittel für Großgeräte ab einer Million Euro… brauchen sie so ein Großgerät, das können sie haben, aber das Geld für die Bedienung haben wir nicht
Tickla: Das besondere an meinen Do-it-yourself-Reaktoren ist doch, dass sie nichts kosten.
Eichhorn: Das ist sehr gut, aber nicht förderfähig

Während sie reden, hakt Gerlinde den Professor auf der Liste ab. Er steckt umständlich sein Namensschild, das Tickla ihm gegeben hatte, ans Jackett
Tickla: Jetzt beginnt der Fachvortrag von Ravischwar Miller, den sollten sie sich nicht entgehen lassen. Ich würde sie bitten, oben rein zu gehen, dann fallen sie nicht so sehr auf.
Im Hintergrund kommt der Fotograf angehastet.
Tickla: Hallo, wollen sie auch in die Veranstaltung, sind sie angemeldet?
Fotograf: Ich bin der Fotograf, hat es schon begonnen?
Tickla: Und ihr Name?
Fotograf: Schubert, aber ich brauche kein Schild, ich muss da rein, ich mach die Fotos für die Universität.
Tickla: Alle müssen ein Schild haben, und alle müssen angemeldet sein, schon aus Sicherheitsgründen
Fotograf: jajaja, kann ich jetzt rein?
Tickla: Moment, nicht hetzen, wer sich beeilt, macht Fehler
Fotograf: Sie brauchen mir nicht zu sagen, wie ich meine Arbeit zu machen habe, ich hatte eben noch einen anderen Termin, geben sie mir jetzt eins von ihren Schildern!
Tickla: Natürlich, ich mach ihnen eins, hier steht ja Fotograf BTU, und wie war ihr Name
Fotograf: Mein Name ist Frank Schubert, spricht denn noch die Präsidentin
Tickla: (schaut auf den Monitor) nein, jetzt ist Herr Ravischwar Miller dran.
Fotograf: Da habe ich die Präsidentin verpasst
Tickla: Aber Herr Miller ist besser
Fotograf: Das kann ich ja wohl besser selbst entscheiden, wen ich fotografieren will
Tickla: Vermutlich interessieren sie sich sowieso nur für den Minister
Fotograf: Nein, ich will alle fotografieren, aber wenn sie noch länger an meinem Namensschild schreiben, werde ich wohl noch mehr verpassen
Tickla: (Gibt ihm das Schild) Wenn sie den oberen Eingang nehmen, wird ihre Verspätung weniger auffallen!
Fotograf: Ich bin nicht verspätet, es ging nicht früher….
Tickla: Da oben lang
Fotograf: Ich kenne den Weg

Carlos kommt wieder um die Ecke, schaut mit Tickla auf die Videoübertragung. Er steckt sich einen Kopfhörer ins Ohr.
Carlos: Ein bisschen nervös hört er sich schon an
Tickla: Nein, er ist ganz cool
Carlos: Er sieht cool aus, aber in seiner Stimme schwingt unterschwellige Unruhe
Tickla: Du hast ja interessante Phantasien

Szene 17: Im Audimax
Man hört Ravi sprechen, aber sieht auch den Fotografen, der vom Hintereingang die Treppen hinuntereilt und gleichzeitig mit dem Fotoapparat und der Fototasche herumhantiert. Plötzlich scheppern, krachen, Ravi hält inne, weil der Fotograf auf der Treppe gestolpert und hingefallen ist.

Szene 18: Foyer vom Audimax
Tickla geht zur Tür, öffnet sie. Da rollt eine Fotoobjektiv heraus, dann geht sie rein und kommt mit dem stark lädierten Fotografen zurück, setzt ihn auf ihren Stuhl, betrachtet seine blutende Wunde an der Stirn, tupft das Blut ab. Die Pressesprecherin kommt auch noch aus dem Audimax heraus. Als es sich abzeichnet, dass der Fotograf nicht weitermachen kann, nimmt Carlos kurzentschlossen die Kamera und rein geht.

Fotograf: Diese Treppe, diese schreckliche Treppe, ich habe es schon immer gewusst, dass ich eines Tages diese schreckliche Treppe hinunterstürzen werde, eine Schrittweite, völlig untragbar
Pressesprecherin (herbeieilend: Wie ist das denn passiert?
Fotograf: Gestolpert, einfach gestolpert, grundlos gestolpert, aber gestolpert
Pressesprecherin: Haben sie sich verletzt
Fotograf: Und wie, aber es geht schon, tut nur saumäßig weh,
Pressesprecherin: Sie sehen ja auch schrecklich aus
Gerlinde Girlande: Ich habe den Erstehilfekasten, wer kennt sich damit aus?
Tickla: Pflasterkleben? Das kann ich.
Carlo: Feuerlöscher ist auch da
Fotografe: Diese Treppe, ich will nie wieder auf ihr hinabsteigen,
Tickla: Sie haben sich zu sehr beeilt, die Treppe kann da nichts dafür
Fotograf: Doch, doch, doch, diese Treppe hat sich schon immer meiner natürlichen Motorik widersetzt
Pressesprecherin: Reden können sie ja noch ganz gut, aber sie bleiben erstmal sitzen Frau Okpar kümmert sich um. Sollen wir einen Krankenwagen holen.
Fotograf: Nein, auf keinen Fall, nur eine Schramme….
Der Fotograf will aufstehen, aber jetzt tut ihm das Knie extrem weh, er jammert, Carlos nimmt unauffällig den Fotoapparat und geht der Pressesprecherin hinterher
Fotograf: Diese Mist-Treppe, sie hat mein Knie auf dem Gewissen! Wo ist mein Fotoapparat hin? Ist ihr Kollege etwa mit meinem Fotoapparat da reingegangen?
Nochmals versucht er aufzustehen, wieder lassen ihn Schmerzen auf den Stuhl sinken.
Fotograf: Das kann der doch nicht einfach machen!
Tickla: Doch, das kann er und es wird funktionieren. Irgendjemand muss den Minister fotografieren, wie er mit Mr. Miller Handshakeing macht.
Tickla versorgt die Wunde, klebt Pflaster und beruhigt den Fotografen.

Szene 19: Im Audimax
Carlos mit dem Fotoapparat. Zunächst hantiert er etwas ungeschickt, aber je länger er fotografiert, desto routinierter wirkt er. Er schaut sich um und entdeckt unter den Zuschauern Adrian mit Havin und ihrem Professor. Er fotografiert auch sie. Beim Kontrollieren der Bilder, sieht er etwas, was ihn sichtlich überrascht.


Ende der zweiten Folge
Dritte Folge

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