Kalifornische Freaks in bayerischer Corporate Identity

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Durch Zufall hatte ich erfahren, dass die Residents in Berlin auftreten würden.
Ja, die Residents, jene einst mal geheimnisumwitterte „New Wave“-Band aus San Francisco, die nie preisgeben wollte, wer die vier Musiker sind, aus der die Band besteht.  Ich erinnere mich noch, dass ich (als die Residents so zwischen fünf und zehn Jahre alt waren, also Anfang der 80er) in einer Musikzeitung las: Inzwischen interessiert es niemanden mehr, wer sie sind!
Das war die Zeit, als die frühen Platten der Band Kultstatus hatten, aber die aktuellen Werke als esoterisch und langatmig galten. Inzwischen gibt es sie seit 40 Jahren, angeblich ist nur noch ein Gründungsmitglied dabei, ich kenne weiterhin nur drei frühe LPs von ihnen, aber ich möchte hier vor allem meine Hochachtung zum Ausdruck bringen. Die Konsequenz, mit der die Residents ihr „Ding“ so lange durchgezogen haben, beeindruckt mich. Das ganze Projekt war immer eine Parodie auf Rock- und Popmusik, aber es stecke auch ganz viel Eigenes, Fremdartiges drin. Die Residents sind Freaks, so wie Zappa oder andere Westküstenbewohner der USA, die das „anders sein“ ganz entspannt präsentieren. Das eigentümliche scheint ihnen in die Wiege gelegt zu sein. Deshalb braucht es nicht zu wundern, dass sie Anzüge mit blau-weißen Rauten tragen und der Sänger im Kuhkostüm ungelenk tanzt. Allerdings gab es ja bereits auf der ersten LP „Meet the Residents“ Bezüge zu Bayern, da dort berichtet wurde, dass die Residents ihren Sound gemeinsam mit dem Wissenschaftler N. Senada entwickelt hätten, der davor in Bayern phonetische Studien betrieben haben solle. Pioniere der Fake-Identitäten waren die Residents auf jeden Fall! Im Bühnenhintergrund gab es eine große Kugel, die für die bekannten Residents-Augen stand. Auf diese Kugel wurden mehrere Videos projiziert (unter anderem „Richard Nixon sings the Blues“), die der Sänger von Hand startete, indem er zum Beam ging und auf einen Knopf drückte. Das beeindruckte mich, weil es so einfach war. Ebenso die Rauten im  Bühnenhintergrund.  Ich hielt sie für eine besonders ausgeklügelt Projektion, aber es war einfach ein großes Tuch, das Falten warf, und durch diese Falten bekamen die Rauten Plastizität. Da ich das komplette Repertoire der Residents bei weiten nicht kenne, gab es beim Konzert kaum Wiedererkennungseffekte, aber es klang bekannt (Stimme, Stimmung und Intonation) und unbekannt (Sound, Songs) zugleich. Natürlich wurde das Publikum nie angesprochen oder begrüßt (Kein „Hallo, Berlin“, zum Glück!) und nur mit einer Verbeugung verabschiedet. Die Show ging ziemlich pünktlich los, die Zugabe war kurz, aber ich fand es wirklich toll. Eine schöne, fremde Welt, Freaks eben, und zwar gute!
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Foto (Auge): Frank Paul

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